Der Fotograf Maler Saul Leiter wird derzeit im Haus der Fotografie in den Deichtorhallen Hamburg mit einer Retrospektive gewürdigt. Der Fotograf gilt als früher Pionier der Farb-Fotografie.
Die Ausstellung präsentiert insgesamt 400 Arbeiten des 88-jährigen Künstlers. Seit seiner Wiederentdeckung in den 90er Jahren gilt Saul Leiter als einer der ersten, die die Möglichkeiten der Farbfotografie nutzen – lange bevor Fotografen wie William Eggleston und Stephen Shore das Medium revolutionierten. Leiter war selbst Kennern bis vor wenigen Jahren vollkommen unbekannt und die Renaissance seiner Aufnahmen schreibt die Fotografiegeschichte quasi um.
Saul Leiters Leben und Wirken
Saul Leiter, in Philadelphia als Sohn eines Rabbiners geboren, ging nach New York mit dem Plan, Maler zu werden und wehrte sich damit gegen die Wünsche seines Vaters, der wollte, dass sein Sohn in seine Fußstapfen tritt. Er wurde von seinen Freunden Eugene W. Smith und Richard Pousette-Dart gefördert und an die Arbeit mit der Kamera herangeführt. Schnell war seine kreative Energie ganz von der Fotografie eingenommen.
Die Malerei gab Leiter jedoch nie auf. Sie ist ein ebenbürtiger Bestandteil der Ausstellung in den Deichtor Hallen. Beide, Malerei und Fotografie weisen große Parallelen auf und zu Recht verschwimmen beide Ansätze zu einem Gesamtwerk. In beiden Ausdrucksformen dominieren farbige Flächen und abstrakte Formen – der gegenseitige Einfluss ist offensichtlich. Das wird auch im Laufe der Ausstellung deutlich, in denen Strecken von Malereien mit Leiters Fotografien verwoben werden.
Nach ersten Erfolgen des Autodidakten mit künstlerischen Arbeiten – er stellte unter anderem in dem von Edward Steichen kuratierten MoMa in New York aus (und wäre beinahe Bestandteil der legendären Ausstellung The Family of Man geworden) – wandte er sich der kommerziellen Mode- und Werbefotografie zu. Seine Erfahrungen, die er in den Straßen New York Citys als Street Photographer gesammelt hatte, konnte er hier voll einbringen. Die Artdirektoren von renommierten Publikationen wie Harper’s Bazaar und Vogue begeisterte er durch sein Auge für Farben, Formen und ungewöhnliche Blickwinkel. Seine Arbeiten bildeten den Gegenpol zu den formal strengeren Arbeiten eines Richard Avedon.
Mit dem Erfolg trat seine Straßenfotografie in den Hintergrund seiner Tätigkeit und geriet schließlich in Vergessenheit. Er hörte nie auf, in den Straßen zu flanieren, allerdings ohne die dabei gemachten Aufnahmen zu veröffentlichen. Heute arbeitet Leiter mit einer digitalen Kamera und ist begeistert von den Möglichkeiten der Technologie. Die Ergebnisse sind ebenfalls Teil der Ausstellung und es erstaunt, wie sehr der Künstler seinen Blick über die Jahre bewahren konnte.
Saul Leiters Fotografien zeichnen sich durch große farbige Flächen und Unschärfen aus. Er nutzt ungewohnte Perspektiven und komponiert mehrere Bild-Ebenen übereinander. Oft dominieren Schwarz-Töne, die das Geschehen im Ungefähren lassen. Die Bilder wirken abstrakt und stellen meist banale Szenen dar. Eine besondere Vorliebe Leiters gilt Reflexionen, Spiegeln, beschlagenen Scheiben und grauen, verschneiten Straßen, die die farbigen Elemente isolieren und zum Leuchten bringen. Damit hob er sich von der Bilderwelt seines Idols und frühen Einflusses, Henri Cartier-Bresson stark ab (Leiter besuchte zu Beginn seiner Karriere die bahnbrechende HCB Ausstellung 1947 im MoMa). Ein Einfluss, von dem er sich schon bald emanzipieren sollte. Diesen Entwicklungsschritt zeigt die Retrospektive anschaulich.
Mit der Saul Leiter Retrospektive wird auch der Kodachrome-Ära ein Denkmal gesetzt. Leiter spielt mit lässig mit der Art, wie dieser Farben darstellt. Dass Leiter aus Kostengründen abgelaufenen Film nutze, dämpft die Farben und verstärken den malerischen Charakter der Prints.
Leiter und Haas: Vorreiter der Farbfotografie
Die Fotografien Saul Leiters weisen interessante Parallelen zu der Ernst Haas‘ auf. Haas, Magnum Fotograf und bekannt für seine kommerziellen Arbeiten (u.a. für Life), fertigte privat in den Straßen New Yorks zeitgleich mit Leiter sehr experimentelle Aufnahmen an, die jedoch in seinem Privat-Archiv verschwanden, da sie von Kritikern und Kunst-Szene abgelehnt wurden. Künstlerische Fotografie hatte schwarz-weiß zu sein. Farbe galt als Mittel der Werbung und des Kommerz und war somit verpönt.
Erst 2010 stellte William E. Ewing, Direktor des Musée de l’Elysée in Lausanne, die vergessenen Aufnahmen erstmalig im Rahmen einer Ausstellung während der Rencontres in Arles vor. Die bisher unbekannten Aufnahmen wurden begeistert aufgenommen und 2011 in dem Buch Color Correction publiziert. Unglaublich, wie sehr sich beide Arbeiten ähneln. Im Gegensatz zu Leiter verstarb Haas in den 80er Jahren als gefeierter Fotograf, während ersterer zunächst in Vergessenheit geriet.
Dank beider Fotografen, deren frühe Farbaufnahmen nun einen zweiten Frühling erleben, ist belegt, das die Farbfotografie bereits in den 50er Jahren als künstlerischen Medium genutzt wurde und nicht erst durch die Vertreter der New Color Photography 20 Jahre später. Zwar waren beide Fotografen nicht die Einzigen, die damals Farbfilm nutzen, nur Haas und Leiter verfolgten das Konzept konsequenter als andere.
Saul Leiter Retrospektive – Der Katalog zur Ausstellung
Begleitet wird die Ausstellung von einem hervorragenden Katalog, der im Kehrer Verlag erscheint. Dieser bietet nicht nur einen guten Überblick über das Werk Leiters, sondern auch einige Interessante Essays zum Thema. Der Einband ist in meliertem Stoff im passenden Kodachrome-Rot gehalten und kommt mit einem Schuber. Insgesamt ist das Buch hochwertig produziert: Es werden mehrere Papiersorten eingesetzt, ist wunderbar gelayoutet und es finden sich sogar kleine Skizzenbücher Leiters innerhalb des Buches. Wenn Ihr die Ausstellung nicht besuchen könnt, findet Ihr mit dem Buch den umfassendsten Überblick über Saul Leiters Werk.
Noch bis 22. April könnt Ihr Euch die Ausstellung im Haus der Photographie in den Deichtorhallen Hamburg anschauen. Weitere Infos
Danke für die schöne Einstimmung. Werde ich mir auf jeden Fall noch anschauen.
hallo till,
konnte die vernissage zur ausstellung von saul leiter sehen, eine exklusive „sneak“-preview miterleben (er war selbst anwesend und hat aus dem leben geplaudert!!) und konnte mir gar ein autogramm von ihm holen. grossartige bilder, cooler typ!
übrigens sehr schöne seite hier. habe sie eben erst über google entdeckt. interessante reports und sehr schöne streetfotos! sizilien zum beispiel. bitte weiter so!
grüsse
aus elmshorn
stefan