Saul Leiter: Retrospektive – Lieblingsfotobuch 2012 Teil 3

Im dritten Teil meiner Serie zu meinen Fotobüchern des Jahres 2012 stelle ich Euch das Buch von Saul Leiter vor, dass die Retrospektive in den Deichtorhallen im letzten Jahr begleitete.

Über die vergangenen Wochen habe ich bereits andere Bücher vorgestellt. Diese kommen vor allem aus dem Bereich der dokumentarischen Fotografie. Viel Spaß beim Lesen und betrachten.

Teil 1: Walker Evans: Decade by Decade
Teil 2: Arne Schmitt: Wenn Gesinnung Form wird
Teil 3: Saul Leiter: Retrospektive

Saul Leiter: Retrospektive

Ingo Taubhorn und Brigitte Woischnik
300 Seiten
Kehrer-Verlag

Saul Leiter gehörte zu der ersten Generation der amerikanischen künstlerischen Farb-Fotografen. Fast in Vergessenheit geraten, trotz seiner Arbeiten für bedeutende Modemagazine in den 1960er bis 1980er Jahren, wurde er erst 2006 mit dem Buch Early Color wiederentdeckt. Die Deichtorhallen in Hamburg widmeten Leiter, deren Arbeiten wohl am ehesten in der Street Photography einzuordnen sind, eine große Retrospektive im letzten Jahr. Das Buch erschien in Begleitung zu dieser Ausstellung.

Mehr Infos zur Ausstellung im letzten Jahr findet Ihr im meinem Rückblick auf die Ausstellung.

Die Fotografien Saul Leiters zeichnen sich durch Kompositionen aus, die Menschen und großflächige Farbflächen, die durch die Umgebung geschaffen werden, kombinieren. Sie erfüllen damit nicht nur einen dokumentarischen Auftrag, sondern erinnern – auch aufgrund des Einsatzes von Farbe – an Malereien Rothkos. Gerne fotografiert Leiter durch beschlagene Fensterscheiben oder arbeitet mit langen Brennweiten, die Unschärfen im Bild erzeugen und bringt so ein weiteres Level der Abstraktion ins Bild. Leiters Werk ist Street Photography in Farbe, ohne den konzeptionellen Anspruch der späteren Vertreter der Farbfotografie. Im Gegensatz zu Eggleston oder Shore geht Leiter bei der Wahl seiner Motive wesentlich weniger radikal vor, was Leiters Verdienst als Pionier keineswegs mindert, traten diese doch erst 20 Jahre nach Leiter auf den Plan. Am ehesten sind die Fotografien mit den späteren Farb-Arbeiten Helen Levitts vergleichbar.

Wer eine Antwort möchte, warum Saul Leiters Werk so lange unentdeckt blieb, dem sei die Dokumentation In No Great Hurry 13 Lessons in Life with Saul Leiter von Tomas Leach empfohlen. Sie besteht aus einer Reihe von Interviews mit Leiter und zeigt seine herrlich entspannte Einstellung zum Leben und seiner Arbeit. Ich hatte im vergangenen Jahr die Möglichkeit mir den Film bei einem Screening im c/o Berlin anzusehen.

Wer sich für den Kauf des Überblicks über Leiters Werk entscheidet, bekommt übrigens sehr viel Buch für sein Geld. Das Buch ist liebevoll gestaltet, hervorragend Gebunden, kommt mit einem Schmuckschuber, enthält einige Essays zu Leiters Wirken, sowie wie kleine, eingebundene Skizzenbücher Leiters (er malt auch abstrakt). Gezeigt werden frühe schwarz-weiß Aufnahmen, Street Fotografie in Farbe, eine Übersicht Leiters Mode-Fotografie und Malereien. Jede Bilder-Serie wird eingeleitet von einer Essay. Das Buch wird so dem Anspruch gerecht, einen umfassenden Überblick zu geben.

Till Schramm: Till ist Fotograf, Blogger und Betreiber dieses Blogs. Sein Interesse gilt der Dokumentarfotografie, insbesondere klassischer Streetphotography, dem New Color Movement und dokumentarischer Landschaftsfotografie.

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