Das Canon 35-70 f/4 AF war das erste Autofokus Objektiv für das FD-Bajonett und Canons erstes Autofokus Objektiv überhaupt. In der Entwicklungslinie der automatisch fokussierenden Kameras/Objektive nimmt es, auch aufgrund seiner Bauart, eine besondere Stellung ein. Die unterschiedlichen Hersteller waren in den Pioniertagen des AF experimentierfreudig und testeten, wie die unterschiedlichen Lösungen beim Konsumenten ankamen. Mehr zu den Besonderheiten des Objektives und meine Eindrücke im Praxisgebrauch erfahrt Ihr im folgenden Artikel.
Mitte der 70er Jahre buhlte eine große Anzahl Kamerahersteller um die Aufmerksamkeit der Fotogemeinde. Die Industrie suchte deswegen nach Möglichkeiten, sich auf dem Markt der Spiegelreflexkameras von der Konkurrenz abzusetzen. Ende der 70er verstärkte sich dadurch der Trend zur immer größeren Vereinfachung in der Bedienung der Kameras. Zu den Innovationen der Zeit gehören die seit den 60er Jahren selbstverständliche Belichtungsautomatik und Zoom-Objektive. In den 70ern kamen dann der automatische Filmtransport, Programmautomatik und später in den 80ern die DX-Kodierung von Filmen dazu.
Ein Gegenstand der Entwicklung in den Labors der Hersteller sollte jedoch die Geschichte der Fotografie in besonderem Maße beeinflussen: Autofokussysteme. Erste Gehversuche machte Konica mit der C35 AF (Testbericht folgt) im Jahre 1977. Später folgte Pentax mit einer ersten Spiegelreflexkamera mit Autofokus, der Pentax ME F.
Die 80er Jahre: Der Autofokus erreicht den Massenmarkt
Im Bereich der Spiegelreflexkameras wagte Canon seine ersten Schritte mit dem hier vorgestellten Canon FD 35-70 AF, in etwa zeitgleich zu den ersten Gehversuchen von Pentax. Beide Hersteller gingen bei der Umsetzung sehr unterschiedliche Wege. Während Pentax dem komplett neuen Objektivanschluss „K-F“ einführte – es blieb dann bei einem Objektiv – setzte Canon auf das seit 1971 bewährte FD-Bajonett. Das brachte einige Schwierigkeiten mit sich. Während man bei der Pentax auf gehäuseinterne TTL-Phasenkontrastmessung (TTL bedeutet „through the lens“) zur Entfernungsbestimmung setzte, war das im Fall von Canon, aufgrund des Festhaltens am FD-Bajonett, dem elektronischen Kontakte zur Kommunikation zwischen Objektiv und Body fehlte, nicht möglich.
Deswegen musste Canon das Autofokussystem direkt am Objektiv installieren und setze dabei auf SST (Solid State Triangulation), ein Verfahren der optischen Abstandsmessung. Dadurch erklärt sich die eher ungewöhnliche Bauweise.
Baubedingte Eigenheiten des Canon 35-70 AF
Das Objektiv weist auf einer Seite ein Wulst auf, in der die Technik für die Entfernungsmessung untergebracht ist. Hinter den 2 kleinen Fensterchen verbergen sich die zwei Lichtschächte, die ihr Bild an einem CCD (charged-Couped device) Bildsensor schicken. Es handelt sich im ein passives AF-System, welches die zwei Bilder mit einander vergleicht und auf dieser Grundlage die Entfernung berechnet. Diese Bauweise ist dann wohl auch der Grund für die relativ schlechten Fokussiereigenschaften in Low-Light Situationen. Spätere AF-Kameras, wie die AF35M nutzen zur Triangulation Nah-Infrarot Sensoren, die übrigens auch in Dunkelheit funktionieren.
Neben dem Sensor für den Autofokus, ist der Autofokus-Motor am Objektiv untergebracht (im Gegensatz zum Nikon Stangen-AF). Da auch die Kamera keinen Strom über eventuelle Kontakte liefern kann (was ohnehin unmöglich für eine Knopfzellenbatterie wäre), finden dort ebenso zwei AA Batterien Platz – beides Gründe für die ungewöhnliche Form des Objektivs. Fokussiert wird nicht an der Kamera, etwa durch antippen des Auslösers, sondern über einen kleinen Knopf an der Seite. Ebenso fehlt ein Zoomring, denn hier muss ein Hebel bemüht werden, der aus der Unterseite des Objektivs ragt. In der Handhabung ergeben sich dadurch Schwierigkeiten bei Benutzung der Kamera im Hochformat, denn nun muss man schon recht unnatürlich mit der linken Hand umgreifen, um den Fokus-Knopf und den Zoom-Hebel zu erreichen. Darunter leidet die Stabilität der Kamera.
Außerdem ist das Objektiv mit einem Gewicht von 640g relativ schwer, so dass sich der Mittelpunkt der Objektiv-Kamera Kombination sehr weit nach vorne verlagert.
Geschwindigkeit des Autofokus und Gesamteindruck
Der Autofokus ist nicht besonders schnell. Wer USM-Objektive aus dem Angebot der EOS Kameras gewohnt ist, wird enttäuscht werden. Zudem „pumpt“ der AF bei wenig Licht sehr, bzw. verweigert an Bildteilen ohne harte Kontrastkanten seinen Dienst in Situationen, in denen der Autofokus einer modernen Spiegelreflex noch schön „greift“. Immerhin kann man mit Hilfe des Schnittbildindikators und des Mikroprismenrings der Canon prä-EOS Kameras die Schärfe vor dem Auslösen noch einmal kontrollieren. „Aus der Hüfte“ würde ich damit aber nicht schießen. In Situationen, in denen es schnell gehen muss, bietet sich das Vorfokussieren an. Als weitere Fokussierhilfe bringt das Objektiv einen (abschaltbare) AF-Bestätigungston mit.
Die durchgehende Blende von f/4.0 durch alle Zoombereiche ist ebenfalls ein großes Plus. Das ist zwar nicht besonders Lichtstark, aber immerhin.
Übrigens ist das Objektiv sehr wertig verarbeitet. Es ist kein „L“, vermittelt aber auch aufgrund des Gewichts und der Metallfassung in edlem Weiß (ähnlich zu den weißen EF 70-200 Objektiven) einen guten Eindruck. Übrigens ist das 35-70 AF wohl das erste Canon Objektiv, auf dem die Daten des Objektiv nicht mehr eingraviert sind, sondern aufgedruckt.
Insgesamt hinterlässt das Objektiv einen guten Eindruck, wirklich brauchen tut man es nicht – wer eine Kamera mit FD-Bajonett verwendet und unbedingt Autofokus braucht, der soll zugreifen. Der Käufer muss sich dann allerdings auf die bereits genannten Limitierungen, vor allem im Handling und Autofokusperformance einlassen. Zu den Abbildungseingenschaften kann ich nur wenig sagen, dem verwandten 35-70 4.0 sagt man allerdings Gutes nach. Das Objektiv ist eher selten zu finden, weswegen ich auch zu ungefähren Gebrauchtpreisen nur wenig sagen kann.
1987: Keine Experimente mehr – Canon führt das EF-Bajonett ein
Schaut man sich die krude Umsetzung des Autofokus im Canon 35-70 AF an, verwundert es im Rückblick kaum, dass das Experiment, das FD Bajonett und eine Autofokusfunktion zu vereinen, gescheitert ist. Canon startete zwar wenige Zeit später einen weiteren Versuch, war jedoch weder im Profisegment noch unter den gehobenen Amateuren in der Lage, die T-80, die sowohl für traditionelle FD Objektive ausgelegt war, als auch spezielle AF-Objektive (AC Objektive), zu etablieren.
Nach diesem Versuchen begrub Canon das FD Bajonett und hob den EF Anschluss aus der Taufe. Damit verprellte Canon gehörig seine Nutzerschaft. Die Systeme wurden parallel weitergeführt, jedoch wurde das FD-Bajonett nicht mehr weiter ausgebaut. Die letzte FD Kamera, die T-60, kam 1990 auf dem Markt – hergestellt von Cosina im Auftrag von Canon.
Der Hersteller, in den 80er Jahren noch zweitplatzierter hinter Nikon, begründete mit dem radikalen Schnitt seine heutige Marktdominanz. Die EOS Linie war konsequent auf die Erfordernisse eines schnellen und Präzisen Autofokus ausgelegt und ermöglicht den Datenaustausch zwischen Kamera und Objektiv. Bei Konkurrent Nikon herrscht übrigens bis heute Kompatibilitätschaos.
Es ist beruhigend zu wissen, dass sich Canon in absehbarer Zukunft nicht vom EF-Bajonettanschluss verabschieden wird (hoffentlich).
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Hast sehr gut über das Canon 35-70 f/4 AF geschrieben. Habe auch noch eins im Schrank, bin da nie so richtig mit warm geworden. Aber es sieht klasse aus und die Wertigkeit ist Spitze, kein Vergleich zu den EF-Plastikobjektiven.