Yashica ist mt einem Kickstarter-Projekt zurück und pitcht einen neuartigen Digital/Film-Kamerahybriden, der den Zeitgeist trifft, aber die Gemüter spaltet. Als Freund alter Messsucherkameras mit festem Objektiv, musste ich mir die Neuauflage genauer ansehen.
Analoge Messucherkameras werden immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben, waren sie doch der Kameratyp meiner Wahl während der Zeit, als ich noch intensive Analogfotografie betrieb. Ein paar Jahre weiter und meine Dunkelkammer ist seit einem Umzug nicht mehr bestehend und die analogen Schätze sind in Kisten gewandert. Die entstandene Lücke nach einem kompakten Knipsomat konnte ich lange nicht füllen und wird aktuell notdürftig durch eine Kompaktkamera geschlossen. Der Wunsch, zu alten Zeiten zurückzukehren, in denen man langsamer und unbekümmerter fotografierte, ist aber immer noch groß. Kann die Yashica Y35 das analoge Gefühl zurückbringen?
Das Kickstarter Projekt
Bereits im September kursierten in Blogs und Sozialen Medien ein mysteriöses Ankündigungsvideo: Der Hersteller legendärer Messucherkameras, der Anfang der 2000er Jahre zuerst von Koycera aufgekauft und dann 2005 endgültig die Produktion einstellte, sei wieder zurück. Mit einigem Hype ging dann am 10. Oktober das Kickstarter Projekt für eine neue Kamera der Marke online.
Worum handelt es sich hier genau? Die Markenrechte werden aktuell von einer Chinesischen Firma gehalten (Momax) die bisher eher als Hersteller/Vertrieb von Kamerazubehör positioniert gewesen zu sein scheint (Selfiesticks).
Ursprünglich wurde die Kamera mit den folgenden Spezifikationen den Unterstützern des Projekts angepriesen:
- 1/3.2-Zoll CMOS Sensor
- 14 Megapixel Auflösung
- Fernrohsucher
- Fixe Blende f/2.8 (u.U. auch f/2.0)
- Brennweite 35mm KB-aquivalent
- Fixer Fokus (1m bis unendlich
- Belichtungskorrektur-Rad
- SD Karten-Slot
- Micro USB Anschluss
- Stativ-Adapter
- Benätig 2 AA Batterien
- ISO-Empfindlichkeit und Bildstil wird mit digiFilm eingestellt
Wie sich aus den Spezifikationen herauslesen lässt, bietet die Kamera einen fixen Fokus und einen Sensor in Smartphonegröße. Die Besonderheit: Es fehlt ein Display und die Sensorempfindlichkeit sowie Bildbearbeitungspresets werden durch digitale Filmkassetten (digiFilm), die in die Kamera eingelegt werden, verändert. Die Kamera soll die Beschränkungen einer analogen Filmkamera bieten, ohne jedoch deren „Nachteile“.
Zur Auswahl stehen aktuell 4 digiFilm „Filme“:
- ISO 400 B/W
- ISO 1600 Color
- ISO 200 Color (135er KB)
- ISO 200 (120er 6×6)
Das Ganze kommt dann in ein Gehäuse, dass nach Metall aussieht, in Wirklichkeit aber Plastik ist. Der Retro-Look entspricht insgesamt der Yashica Electro 35, die wiederum einer Minolta Hi-Matic 7s sehr ähnlich ist (mehr Infos zu dieser Kamera). Der Blitzschuh ist nicht funktionstüchtig. Spannend: Bevor man ein neues Bild machen kann, muss der Film mit dem „Spannhebel“ „transportiert“ werden. Yashica (bzw. die Firma die hinter dem Projekt steckt), verkauft es als Moment des Innehaltens vor dem nächsten Bild. Eine Eigenheit, die ein wenig an die Epson RD-1 erinnert (auch wenn der Spannhebel hier eine wirkliche Funktion hatte).
Überteuertes Hipster Accessoire oder genial reduzierte Toy Camera?
Jetzt kann man das alles ziemlich Lächerlich finden und wie zu erwarten polarisiert das Konzept. Die Kommentarspalte von PetaPixel verteufelte wie zu erwarten das Konzept, DOCMA erklärte die Kamera zum „Witz“, D-Pixx befand die Kamera als „an Abstusität kaum zu überbieten“. Das Maß der Aufregung kann ich nur bedingt nachvollziehen. Zurecht wurde jedoch von Unterstützern und Nicht-Unterstützer zudem der fehlende Prototyp und Demo-Bilder in der Projektbeschreibung, die offensichtlich von einer DSLR stammen, kritisiert. Es bleibt abzuwarten, ob der Hersteller bis zum Ende der Kampagne liefern kann.
Darüber hinaus wies das ursprüngliche Konzept einen fatalen Konstruktionsfehler auf: Die Kamera kam mit einer fixen Blende von f/2.8 und einer maximalen Verschlusszeit von 1/500 Sekunde. Das wäre nicht weiter schlimm, das Objektiv der Kamera besitzt jedoch kein Gewinde für einen ND-Filter. So wären Aufnahmen bei Tageslicht stets überbelichtet (mehr dazu in diesem Youtube-Video). Der Hersteller reagierte promt mit einer Änderung des Konzepts: Nun gibt es eine Belichtungskorrektur und eine automatische Wahl der Verschlusszeit. Ein Schnitzer, der die Ernsthaftigkeit des Projekts in Frage stellte. Davon abgesehen, empfand ich die Kommunikation der Initiatoren der Kampagne in Frequenz und Ton angemessen.
Der Kritik zum Trotz: Das Konzept kommt an
Bisher fanden sich über 6.000 Unterstützer für das Produkt, das auf 100.000 Dollar Finanzierung ausgelegt war, bisher aber das 10-fache einbrachte. Aller Kritik zum Trotz, das Produkt passt in die Zeit. Und wer sich über die Kamera aufregt, sollte auch Smartphone-Apps im Retrolook (Hipstamatic), die Leica Monochrom, die Leica M-D ohne Display oder die Fuji Instax Neo 90 als hipsterigen Schnickschnack ablehnen. Bei mir überwiegt das Bedürfnis nach etwas analoger Anmutung in Technik (Haptik/Einstellräder) und Bildausgabe (Retrofilter).
Jede Kompaktkamera wird die Yashica Y35 übertreffen, aber gerade die Reduktion auf das Wesentliche (Draufhalten und Bildmachen) macht hier den Reiz aus. Außerdem ist die Idee so verrückt, das es schon wieder charmant ist. Bis es endlich digitale Filmpatronen gibt, mit denen sich analoge Kameras nachrüsten lassen, werden Kameras, wie die Y35, immer eine Chance (bei mir) haben.
Deswegen habe ich mich schon kurz nach dem Start des Projekts für die „24h Kickoff Combo“ (Kamera plus 4 „Filme“) zum umgerechneten Preis von 126,- Euro entschieden und halte die Daumen gedrückt, das der Hersteller wie versprochen im April 2018 abliefert. Aufgrund der vielen Fragezeichen solltet Ihr Euch, findet Ihr das Konzept ebenfalls spannend, ein genaues Bild auf der Kickstarter-Seite ein Bild von der Kampagne machen.
Ich halte Euch in jedem Fall auf dem Laufend und zeige an dieser Stelle auch das finale Produkt, wenn es denn ausgeliefert wird.