Street Photography boomt und erlebt durch Blogs und junge Fotografen einen neuen Aufschwung. Aber rechtlich ist der Street Fotograf in einer schwierigen Situation, was zumindest in Deutschland die Straßenfotografie zum Teil verhindert. Mit dem Verschwinden der Street Photography geht ein wichtiges Werkzeug der Dokumentation verloren. Darum brauchen wir einen entspannteren Umgang mit dieser Art der Fotografie.
Der Street Photography Fotograf befindet sich in einem stetigen Spannungsfeld zwischen der Kunst, den rechtlichen Rahmenbedingungen und den Vorstellungen der Gesellschaft. Anhand dieser drei Aspekte möchte ich Euch die Schwierigkeiten der Straßen-Fotografie hierzulande darlegen. Ganz zum Schluss beantworte ich die Frage, warum das Ver- oder Behindern der Dokumentation aus meiner Sicht zu einem kulturellen Verlust führt.
Was ist Street Photography?
Um abzustecken, worüber wir hier reden, eine Begriffsklärung. Unter Street Photography versteht man die ungestellte Dokumentation des Lebens von Personen auf der Straße. Der urbane Raum dient als Bühne, auf der die Menschen ihrem Alltag nach gehen. Oft wohnt der Street Photography ein humoristisches Element inne, was mit der Dokumentation der (zwischen)menschlichen Eigenheiten einher geht. Dabei stellt sie das Individuum nie bloß, sondern zeigt, was da ist, das ungeschönte Leben quasi.
Stilistisch zeichnet sich die Street Photography durch kurze Brennweiten, eine große Schärfentiefe und die Konzentration des Hauptmotivs auf die Bildmitte aus. Die Bilder sind typischerweise in Schwarz-Weiß und mit starken Kontrasten versehen. Die Street Photography ist häufig dokumentarisch und ihr wohnt eine gewisse Schnappschuss-Ästhetik inne. Durch ihren spontanen Charakter grenzt sie sich von anderen Formen der Fotografie, wie der inszenierten Fotografie ab (vgl. Walter, Christine. Bilder erzählen! – Postionen inszenierter Fotografie, s. 18. VDG, Weimar 2002).
Ist Street Photography Kunst?
Aufgrund des vermeintlich trivialen Entstehungsprozesses der Bilder in der Street Photography liegt der Schluss nahe, diese Herangehensweise als bloßes „Draufdrücken“ abzutun. Dabei kommt in der Street Photography vielleicht mehr als bei anderen Arten der Photography eine ganz eigene Sichtweise des Fotografen auf die Welt und seine Subjekte zum Ausdruck. Hinzu kommt die Methode und Technik, die der Künstler wählt und den individuellen Stil prägen.
Natürlich gibt der Street-Fotograf, mehr als andere, das Ergebnis seiner Arbeit in die Hände des Zufalls. Das Bild ist nicht planbar – genauso wenig wie das Leben planbar ist. Trotzdem wird die individuelle Handschrift des Fotografen in seinen Werken sichtbar. Diese findet vor allem in Auswahlprozessen ihren Ausdruck. Diese Auswahl findet zwei Mal statt. Vor und während der Entstehung des Bildes auf der Film- oder Sensorebene der Kamera (was zeichnet der der Fotograf wie auf) und später im Auswahlprozess der entwickelten Aufnahmen für das endgültige Werk.
Aber ist Street Photography Kunst im rechtlichen Sinne? Die deutsche Wikipedia definiert ein Werk im Sinne des Urheberrechts übrigens folgendermaßen:
- Es muss eine persönliche Schöpfung des Urhebers vorliegen.
- Sie muss einen geistigen Gehalt haben.
- Sie muss eine wahrnehmbare Formgestaltung aufweisen.
- Es muss in ihr die Individualität des Urhebers zum Ausdruck kommen.
Vorrangig entscheidend ist Punkt vier, die Individualität des Urhebers. Erfüllt die Street Photography diesen Punkt?
Beispielhaft sei als prominentes Beispiel der britische Fotograf Martin Parr genannt. Seine Technik lässt sich kopieren. Man kann ebenfalls die Orte seines Schaffens aufsuchen und wird dort die selben Subjekte finden. Seine Sichtweise und die Bilder, die daraus resultieren wird man nicht kopieren können. Das ist sie, die Kunst.
In dem folgenden Video könnt Ihr Parr bei der Arbeit für eine Serie übe Australien über die Schulter schauen. Er äußert sich auch zum Foto-Kunstmarkt, (u.a. über die Rekordpreise, die Andreas Gursky mit dem Verkauf seiner Werke erzielt).
Ist Street Photography illegal?
Nimmt man die in Deutschland geltende Rechtsauffassung als Grundlage, dürfte die Street Photography als Kunstform in Deutschland nicht existieren. Denn grundsätzlich ist es hierzulande verboten, ohne Einwilligung der abgebildeten Personen, Aufnahmen zu erstellen oder gar zu verwerten. Zur Klärung der rechtlichen Fragen wird deswegen in der Regel ein schriftliches Model-Release angefertigt, in welchem der Fotografierte dem Fotografen diese Rechte einräumt.
Dies ist übrigens nicht überall auf der Welt so. Das Recht am eigenen Bild ist in Deutschland auf besondere Art und Weise ausgeprägt. Dies hat historisch bemerkenswerte Gründe.
Das entsprechende Gesetz wurde 1907 verabschiedet. Dies passierte angeblich als Antwort auf einen neuartiges Rechtsproblem. Ein Foto von Otto von Bismarck auf seinem Todesbett wurde von den Fotografen Max Priester und Willy Wilke angefertigt. Um das Bild zu erstellen, drangen die beiden, illegaler Weise, in das Schloss Friedrichsruh ein. Die Familie Bismarcks konnte die Veröffentlichung verhindern, jedoch konnten die Ersteller der Aufnahmen nicht belangt werden, es gab schlichtweg noch kein Gesetz, das dies ermöglicht hätte. Schließlich wurden die Fotografen wegen Hausfriedensbruchs verurteilt.
Seit der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes ist das Abbild einer Person bis zu 10 Jahre über den Tod hinaus geschützt. Das Recht am eigenen Bild ist Teil des Kunsturhebergesetzes, der Bürger wird „zum Autor und Eigentümer seines Erscheinungsbildes“, dessen Kopie ein Fotograf anfertigt (s. McLean, David. frieze d/e – Winter 2011-12. Bild und Recht. Frieze Publishing GmbH, 2011).
Der Street-Fotograf ist also in einem Dilemma. Entweder er holt sich im Vorhinein die schriftliche Erlaubnis ein und ist so auf der sicheren Seite oder fotografiert ungefragt. Es fällt nicht schwer sich auszumalen, was ersteres für die spontane und ungestellte Aufnahme einer Szene bedeutet. Selbst wenn er sich im Nachhinein die Rechte in Form eines Model-Release einholt, ist die Situation noch nicht rechtlich unbedenklich. In früheren Zeiten wäre die Aufnahme unproblematisch gewesen, bis sie veröffentlicht worden wäre. In Zeiten digitaler Sensoren scheint die Rechtsprechung jedoch noch rigider.
Die Vorstellung, von jedem spontan aufgenommenen Subjekt eine schriftliche Erklärung einzuholen ist natürlich vollkommen utopisch. Die analoge Fotografie erschwert Dinge zusätzlich, da eine spontane Kontrolle der Aufnahme nicht möglich ist. Das Einzige, was dem Fotografen bleibt, ist also, die Rechtslage zu ignorieren oder sich auf eine Ausnahme der Rechtsprechung zu berufen. Denn es gibt nicht wenige Ausnahmeregelungen, die das Recht am eigenen Bild einschränken. Eine gute Übersicht zum Thema findet man bei photoscala. Eine dieser Ausnahmen ist die Erstellung von Bildnissen, deren Verbreitung einem höheren Interesse der Kunst dienen. Hier greift die im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit, sofern das Bild in einer künstlerischen Art und Weise aufgenommen und verbreitet wird. In meinen Augen fällt die Street Photography in diesen Bereich.
Wie spontane Straßenfotografie trotzdem – auch rechtlich einwandfrei – möglich ist, zeigt Michael Malke von fotomonat.de in einem Artikel zum Thema. Einige der gezeigten Aufnahmen sind gut, jedoch zeigen sie auch, wie beschränkt de Fotograf ist. Mit klassischer Street Photography haben diese Bilder nur noch wenig zu tun.
Die Lage ist verzwickt. Das verdeutlicht das Interview mit Guido Steenkamp, Mitglied des Street-Photography Kollektivs second2real, im bei Kwerfeldein. Ohne die Einwilligung der Abgebildeten bewegen sich die Fotografen stets in einer rechtlichen Grauzone:
„Mir persönlich ist jedoch kein (Street-)Fotograf bekannt, der sich vor oder nach einer Aufnahme ein schriftliches O.K. geben ließe. „(Guido Steenkamp, seconds2real)
Das es anders geht, zeigt das Beispiel der USA. Hier ist es erlaubt alles und jeden zu Fotografieren inklusive anschliessender Veröffentlichung, so lange keine Sicherheitsinteressen berührt werden. Der öffentliche Raum ist hier tatsächlich noch öffentlich.
Paradoxe Fotografiefeindlichkeit
Nicht nur die Rechtsprechung erschwert die Street Photography, auch ein Großteil (der nicht fotografie-affinen) Öffentlichkeit scheint diese Art der Fotografie abzulehnen, zumindest wenn es um das eigene Bildnis geht. Sogenannte Candid Photography in Galerien und Ausstellungen wird hingegen gefeiert, siehe z.B. Chris Markes Serie Passengers, versteckte Aufnahmen von Menschen in der Pariser U-Bahn, beim diesjährigen Rencontres.
Interessanter Weise besteht auf der einen Seite ein allgemeines Misstrauen gegenüber der Fotografie, auf der anderen findet eine unbeschreibliche Entblößung des Privaten in der Öffentlichkeit statt. Die Bildbranche boomt, es werden täglich Bilder millionenfach auf Bilderdienste hochgeladen, für jeden zum Anschauen. Wir bilden unser gesamtes Leben in den sozialen Netzwerken ab. An allen Orten der Öffentlichkeit werden Überwachungskameras installiert, die unsere Bewegungen durch den Alltag lückenlos aufzeichnen und im Nachhinein dokumentieren können.
Eine widersprüchliche Situation. Wir bewundern Street Photography in Galerien, Zeitschriften und Blogs, haben aber eine ungeheure Angst davor, in der Öffentlichkeit fotografiert zu werden. Anderswo – im Netz – geben wir dann die Kontrolle über unsere Bilder willentlich auf.
Warum ein neues Verhältnis zur Fotografie nötig ist
Beides, schwierige Rechtsprechung und öffentliche Ablehnung, führt dazu, dass die Street Photography in Deutschland erschwert wird. Das ist schade. Der Fotografie als Medium, dass die Welt um uns herum dokumentiert, ordnet und kommentiert, kommt in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle zu. Besonders die Dokumentar-Fotografie und die Street-Photography im Besonderen halte ich für wichtig, weil sie unser Leben und unseren Alltag, in all seinen Facetten aufzeichnet – ohne, dass es dafür einen akuten Anlass gäbe.
Ohne diese Zeugnisse der Zeit, könnte es uns in 20, 30, 40 Jahren schwer fallen, unser damaliges Leben zu verstehen. Heute schätzen wir wichtige Zeitdokumente wie Udo Hesses Als noch Osten war oder Roger Melis‘ In einem stillen Land als unerlässliche Verbindung zu vergangenen Zeiten.
Deswegen wünsche ich mir, dass jeder, ob nun online, in Foren/Blogs oder auf der Straße, mit mehr Verständnis auf Street-Fotografen reagieren würde, damit wir in Zukunft nachvollziehen können, wie wir heute gelebt haben.
Was denkst Du über die Rahmenbedingungen für Street Photography in Deutschland? Lass es mich in den Kommentaren wissen.
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Jetzt zitiere ich mal sinngemäss einen Grossmeister der Fotografie, Oliviero Toscani (ex Benetton Fotograf): „Wenn du das machst was man dir erlaubt – kommt nur Scheisse dabei raus“. oder: „Fotografie ist Kunst – und Kunst muss undemokratisch, radikal und subversiv sein“. Weltweit sitzen Künstler hinter Gittern, weil sie aus Sicht der dortigen Gesetzgeber Kunst machen, die nicht erlaubt ist. In Europa ist es ähnlich. Hier werden Menschen allein darum verfolgt, weil sie Kunst, bzw. Street-Fotografie machen. Was herauskommt, wenn korrupte Politiker, gekaufte Richter und willfährige Beamte ohne einen Funken Verstand in Sachen Kunst Gesetze und Verordnungen gegen die Kunst erlassen, haben wir in Europa vor 70 Jahren lernen müssen. Massenvernichtung, Verfolgung der Künstler und letztlich der gesetzlich (von Politikern, Richtern und Beamten) legitimierte Massenmord war das Resultat. Die Kunstfreiheit gehört zu den grössten immateriellen Gütern der zivilisierten Gesellschaften. Politiker, Richter und Beamte sind in der Regel Feinde der Kunst. Weil Kunst undemokratisch, radikal und subversiv ist, entzieht sie sich der Macht der Obrigkeit. Das mögen die nicht. Wäre den heuchlerischen Politikern, Richtern und Beamten das Persönlichkeitsrecht so wichtig, dann gäbe es in Europa keine Überwachungskameras in Bahnhöfen, Einkaufszentren, öffentlichen Plätzen usw. Das Persönlichkeitsrecht wird von denen nur pervertiert und immer gerade so verwendet, wie es ihren eigenen, meistens nicht sonderlich ruhmreichen Zielen dienlich ist.
Hallo Peter,
vielen Dank für Deine Einschätzung. Ich sehe das ähnlich wie Du. Kunst muss provozieren und wahrscheinlich auch Konventionen und Gesetze brechen (dürfen).
Interessanten Ansatz von Dir, dass Persönlichkeitsrecht als Instrument der Obrigkeit zu betrachten.
Grüße
Till
„Weltweit sitzen Künstler hinter Gittern, weil sie aus Sicht der dortigen Gesetzgeber Kunst machen, die nicht erlaubt ist. In Europa ist es ähnlich. Hier werden Menschen allein darum verfolgt, weil sie Kunst, bzw. Street-Fotografie machen. Was herauskommt, wenn korrupte Politiker, gekaufte Richter und willfährige Beamte ohne einen Funken Verstand in Sachen Kunst Gesetze und Verordnungen gegen die Kunst erlassen, haben wir in Europa vor 70 Jahren lernen müssen. Massenvernichtung, Verfolgung der Künstler und letztlich der gesetzlich (von Politikern, Richtern und Beamten) legitimierte Massenmord war das Resultat.“
Stimmt: Gerade in Deutschland platzen die Knäste ja förmlich aus den Nähten, weil jeden Tag Dutzende arme Street-Fotografen eingebuchtet werden, neuerdings müssen sie nach der Entlassung eine stilisierte gelbe Kamera auf der Brust tragen, ich hab auch schon von Lagern gehört…
Nee mal im Ernst, das ist ja wohl der größte Schwachsinnskommentar, den ich bisher zu dem Thema irgendwo gelesen habe (obwohl, das habe ich neulich schon irgendwo behauptet, schlimmer geht wohl immer). Erstaunlich, dass diesem leider auch noch so uneingeschränkt zugestimmt wird. Keiner wird hier verfolgt oder sont irgendwas, weil er Fotos auf der Straße macht. Sich hier zu politischen Opfern hoch zu stilisieren ist ja nur noch peinlich. wer Freiheit für die Kunst fordert, der soll erstmal welche produzieren. Die meisten selbsternannten Street-Fotografen tun dies nicht. Und Street-Fotografie ist niemals per se Kunst aus sich heraus.
„Weil Kunst undemokratisch, radikal und subversiv ist, entzieht sie sich der Macht der Obrigkeit.“
Die Fotografie ist aber nicht undemokratisch, sondrn das demokratischste (Kunst)medium überhaupt und genau hier liegt ein Problem, das von Street-Fotografen gerne verschwiegen wird. Weil es nämlich scheinbar so einfach ist Street zu machen, geht jeder Depp auf die Straße, fotografiert die Omma beim Einkaufen und, hier kommen wir zum eigentlichen Problem, stellt es sofort auf seinen belanglosen Blog, behauptet dann noch, das sei der Kunst oder diene der Dokumentation unseres heutigen Lebens.
Klar wäre es an der Zeit mal über eine Modernisierung der entsprechenden Gesetze nachzudenekn, aber an der Abneigung gegnüber Straßenfotografie und dem Unwohlsein ihr gegenüber sind die unzähligen Möchtegern-Cartier-Bressons selbst mit Schuld. mehr Reflektion und Hinterfragen der eigenen Qualitäten und des Sinns der eigenen Bilder wäre angebracht.
@Till
Du schreibst: „Kunst muss provozieren und wahrscheinlich auch Konventionen und Gesetze brechen (dürfen).“
Ich glaube, die Kunst- und Meinungsfreiheit ist schon nicht ganz schlecht hier bei uns und man darf als Künstler eine Menge mehr, als der Normalbürger (s. nur im Bereich der Satire). Auch Kunst muss Grenzen haben, sonst würde es den Künstlern doch auch irgendwo langweilig ; )
Wie gesagt finde ich aber, dass Street-Fotografie nicht automatisch = Kunst ist. Darüber hianus: Wie hervorragende und dennoch gesetzeskonforme Street-Fotografie gelingen kann, hast Du mit Deinem Blumen-Damen-Bild doch selbst gezeigt. : )
Ansonsten: Ein schöner, ruhiger, ausführlicher Artikel, dem ich zwar nur zum Teil zustimmen kann, aber er ist informativ und inspiriert sich seine eigenen Gedanken zu machen.
Die Rahmenbedingungen für Straßenfotografie in Deutschland sind tatsächlich sehr eingeschränkt – deshalb fotografiere ich hierzulande hauptsächlich ausländische Touristen. Als Journalistin kenne ich ja die Rechte am eigenen Bild und weiß, welche Klagen auf einen zukommen können. Ich lebe mehrere Monate im Jahr in den USA und reise viel durch Lateinamerika. Dort gehen die Menschen mit der Straßenfotografie viel entspannter um.
@Martin:
Vielen Dank erst einmal für Deinen sachlichen Kommentar, den ich so unterschreiben könnte.
Sicherlich war Peters Kommentar mehr oder weniger überzogen. Ich freue ich mich aber natürlich als Autor über Impulse zum Anstoß einer Diskussion, wobei inzwischen ja bereits ein kontroverses Meinungsspektrum abgedeckt wird. Von daher ist jeder Kommentar erst einmal willkommen, selbst wenn sie überzogen und emotional geprägt ist.
Es obliegt mir nicht darüber zu urteilen, ob etwas Kunst ist oder eben auch nicht, das müssen im Streitfall Gerichte entscheiden, sofern, wie im Fall der Street Photography, die Rechte Dritter berührt werden. Ich gebe Dir Recht, unser Rechtsstaat ist in dieser Richtung bereits ganz gut ausgestattet, siehe das Zitatrecht, Kunstfreiheit, freie Meinungsäußerung etc.
Das es aber noch liberaler geht, zeigt das Beispiel USA. Mein Rechtsempfinden sagt mir, dass ich sobald ich meine Haustür verlasse ,Teil des öffentlichen Raumes bin und als Folge Gefahr laufe, von Mitmenschen fotografiert zu werden. Unsere Rechtsprechung ist leider eine andere. Da würde ich mir ein Umdenken wünschen. Natürlich werden sich unsere Gesetze nicht ändern, aber die Anwendung könnte Fotografen-freundlicher sein.
Schön, dass Du mit dem Thema Qualität in Street Photography Blogs einen Aspekt ansprichst, den ich ursprünglich vor hatte, mit diesem Artikel abzudecken, dann aber ausgelassen, damit der Artikel nicht zu lang wird.
Vielen Fotografen fehlt leider die Fähigkeit, ihre eigenen Arbeiten sorgfältig zu kuratieren. Folge sind eine Menge mittelmäßiger Aufnahmen, in deren Meer die wenigen guten Aufnahmen vollkommen untergehen. Die von Dir genannte Aufnahme der Oma auf dem Weg zum Einkauf oder die obligatorische Aufnahme „Obdachloser in Fußgängerzone“ werden leider viel zu oft zur Regel.
Überhaupt gefällt mir der Trend dazu, alt-bekannte Street Fotografen, HCB allen voran, zu imitieren überhaupt nicht. Für den postmodernen Kunstbetrieb, spielen die poetisch-pittoresken Aufnahmen überhaupt keine Rolle mehr. Die Zeit für diese Art der Kunst war mit Beginn der siebziger Jahre abgelaufen – was sich ja dann damit zeigte, dass HCB mit France den Zeitgeist komplett verfehlte und bald darauf die Fotografie aufgab. Die Welt hatte sich in 30 Jahren einfach weitergedreht.
Ich will keine heiligen Kühe schlachten: Nichts gegen HCB und sein Werk, das über alle Maße erhaben ist. Seine Arbeiten würden heute einfach nicht mehr in die Zeit passen – ich spreche hier bewusst von seinen Buchveröffentlichungen, die Fotoreportagen sind eine andere Geschichte, eher dokumentarisch als künstlerisch. Das es anders geht, zeigen die persönlichen Arbeiten von Ernst Haas, ebenfalls Magnum Mitglied seit den 50er Jahren. Seine Arbeiten entfalten erst jetzt, Jahrzehnte später ihre volle Tragweite.
Das ist das Problem vieler Online-Street-Fotografen, wenig Innovation, viel Kopie bekannter Sichtweisen. Immer beliebt: die x-te „unbekannte auf der Straße-Serie“…
Leider wird das WWW, allen voran die sozialen Netzwerke, von mediokren Aufnahmen unterschiedlicher Street Fotografen geradezu überschüttet – ohne jetzt Namen zu nennen. Frei nach dem Motto: Lieber etwas, du bennenst es selber, Belangloses posten und den Kommentar einheimsen („amazing“), als ein kohärentes Werk zu schaffen mit durchweg wirklich guten Aufnahmen.
Abschließend noch einmal volle Zustimmung zu Deinem Statement: Street Fotografie ist nicht automatisch Kunst.
Grüße
Till
Ich finde den artikel auch sehr interessant. Der angeführte HCB ist sicherlich nicht aktuell , aber dennoch Zeitlos und gerade für anfänger sehr lehrreich, nur schade das die meisten daraus nicht die richtigen schlüsse ziehen ( das spiel mit dem vorder und hintergrund und aufbau (gestaltung) des Bildes) sondern halt nur den Meister nur kopieren…
( für mich ist ernst haas auch immer interessanter gewesen als Bresson)
zur rechtlichen situation :
da ich auch seit ca.10 jahren in deutschland/ hamburg fotografiere versuche ich gerne in die abstraktion auszuweichen..dh die gesichter möglichst wenig zu zeigen .. aber das ist natürlich nicht jedermanns sache und funktioniert auch nicht immer.Manchmal geht es halt nicht anders und ich lebe mit dem risko, aber so ( durch die Abstraktion)habe ich persönlich ein wenig dieses rechtliche problem für mich gelöst…
siegfried
Pingback: Street Photography - das Recht am eigenen Bild
Ein interessanter Artikel zur rechtlichen Situation der Street Photography in Deutschland…. http://t.co/HQOYeKIk
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Da kann ich Martin Lehmann nur zustimmen… und ehrlich gesagt, es ist sehr gut das es das Recht am eigenen Bild gibt. Man stelle sich vor, in der heutigen Zeit der Digitalfotografie, wo unendliche Massen von Fotos produziert werden, hätten wir das Gesetz nicht. Dazu kommt die schnelle Verbreitung durch das Internet. Das kann sich jeder sehr gut ausmalen wo das enden würde. Es gibt gute Street-Fotografie keine Frage, wo der Begriff „Kunst“ zurecht angewendet wird. Das diese Fotografie auch Dokumentarisch sein kann leuchtet auch ein. Allerdings gibt es genug Beispiele von Street-Fotografien wo es nur darum geht die abgebildeten Opfer in möglichst komischen oder lächerlichen Situationen darzustellen. Das ist wohl mehr unter dem Begriff „Straßen-Voyeur-Fotografie“ einzuordnen. Das solche Fotografen die Veröffentlichung der Bilder rechtfertigen mit dem Hinweis, ihre Bilder wären im Bereich der Kunst anzusiedeln klingt geradezu lächerlich. Ein guter Street-Photographer nimmt sich die Zeit um mit den abgebildeten in Kontakt zu kommen und die Veröffentlichungsrechte sich einräumen zu lassen. Ohne die ist die Veröffentlichung nicht möglich. So einfach ist das. Das ist natürlich leider auch nicht immer Praktisch durchführbar. Die fotografische Trophäe ist dann nicht auch nicht viel wert.
Ich habe lange Zeit vor der Digitalfotografie eine TV-Reportage gesehen wo Fotoreisen nach Afrika veranstaltet wurden.
Im Schutz der Gruppe haben sich die Fotografen dort aufgemacht um durch die Gegend zu ziehen und alles was vor die Kamera gekommen ist, möglichst schnell wegzuknipsen. Es braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen was es in Zeiten der Digitalfotografie bedeuten würde wenn wir dieses Gesetz nicht hätten.
Warum ist nur diese deutsche veröffentlichte Photographie so einfallslos und tot?
Gesichter von hinten, verschwommene Personen in kahlen Strassen. Macht nichts, zeigt deutsche Gefühlswelt, ist damit gute Reportage.
Was macht der gute Street-Photographer: Freundlich photographieren, dann überlegen ob er mit den Abgebildeten in Kontakt treten soll und ein Modelrelease unterschreiben zu lassen oder iPhone app Modelrelease unterschreiben lassen, um diese Bilder gewerblich verwenden zu können.
Was Du natürlich nicht machen solltest ist, Personen absichtlich zu Ärgern, Opa O wie er aus dem Etablissement kommt, Frau G, Nachbars hübsche Gattin, nächtens inkognito unterwegs in der Nachbarstadt und bei den tätowierten Jungs am Bahnhof fragst Du auch erst mal vorher freundlich um Erlaubnis, ein Portrait machen zu dürfen, sonst gibts was auf die Nase.
Wie soll da noch im sogenannten freien Deutschland Bildbericht gemacht werden?
Es belibt dabei, deutsche Bilder sind langweilig, tot. Feige.
Nachdem ich das jetzt alle gelesen habe, werde ich mich aufs Ausland konzentrieren. Wenn jemand mit seinem Bild nicht einverstanden ist, ist das eine Sache. Löschen und alles ist gut. Aber dann einem das Recht zu geben jemanden kostenpflichtig abzumahnen, bravo Deutschland. So kann man ein Land auch kaputt machen. Man sollte sich die USA etc. hier als Vorbild nehmen, wo es einem problemlos erlaubt ist.
Noch zum Thema Qualität der Streetfotografie.
Immer dran denken, jeder hat mal irgendwo angefangen @Till.
Pingback: Wo die Wikipedia nicht reicht oder was ist Straßenfotografie? | street62.de – dokumentarfotografie.com
Pingback: Street Photography | Spuelbeck.net Photography
Ja rechtlich gesehen, ist es natürlich nicht so einfach in Deutschland.
Aber ich behaupte mal, dass die Zahl der verklagten Street-Fotografen, doch eher gegen Null läuft.
Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich eine private Person, den Aufwand und Kosten hingibt, jemanden zu verklagen.
Falls man sich doch irgendwo im Internet wiederfindet, reicht ja auch in der Regel eine E-Mail an den Fotografen um das Foto runter zu nehmen. Besonders in Zeiten von Facebook werden Fotos immer mehr geteilt und auch Aufnahmen von Fremden. Die Menschen scheinen einfach einen Drang zu haben, Fotos zu machen, Fotos zu teilen aber auch zu Dokumentieren.
Das eigentliche Problem ist glaube ich eher, dass man Street Fotografie in Deutschland nicht vermarkten kann. Und das finde ich wirklich schade. Die Chance ein Bildband heraus zu bringen mit Fotografien aus Deutschland, ist kaum möglich. Außer man beschränkt sich komplett auf Verwischte, Gesichtslose Aufnahmen. Was zwar hin und wieder seinen Reiz hat, aber ein kompletes Bildband davon? Nein danke.
Zum Modelrelease:
Meine Erfahrung dazu ist, es ist einfach nicht praktikabel. Die meisten haben kein Problem damit Fotografiert zu werden. Aber etwas unterschreiben? Etwas was man sich ggf. nichtmal in Ruhe durchlesen kann? Da werden 99% nein, danke sagen.
Ich habe bisher noch nie negative Erfahrungen beim fotografieren auf der Straße gemacht. Viele Leute haben sich gefreut, viele haben gar nicht gemerkt dass sie fotografiert werden, einige haben mich angesprochen ob ich ihnen die Bilder zuschicken kann, die meisten haben mich einfach ignoriert.
Ich glaube die Deutschen sind gar nicht so prüde und unfotogen, wie man glaubt.
@Niederrhein Foto
Naja, aber wie sollen sich denn gute Street-Fotografen entwickeln, wenn sie nicht die Möglichkeit haben es zu Üben? ;)
„Ein guter Street-Photographer nimmt sich die Zeit um mit den abgebildeten in Kontakt zu kommen und die Veröffentlichungsrechte sich einräumen zu lassen. “
Ich persönlich kenne jetzt keinen einzigen Street-Fotografen, der das macht. Da es einfach unpraktikabel und in vielen Fällen auch unmöglich ist. Wenn ich eine interessante Situation mit 2-3 Leuten fotografiere, ist es unmöglich alle 3 Leute sofort anzuhalten und die Einwilligung einzuholen. Dann am besten noch überzeugen „mal schnell“ einen Vertrag zu unterschreiben. Wenn es nicht gerade jemand ist der irgendwo gelangweilt rumsitzt und langweilt, werden die meisten Leute einfach sagen, nein und weiterlaufen. Hat ja auch keiner Zeit heutzutage :)
Ganz ehrlich? Wenn wir dieses Gesetzt nicht hätten, würde sich wahrscheinlich nicht viel Ändern! Wenn ich durch die Stadt laufe, gibt es genügend junge Menschen die mit ihren Smartphones Fotos von „was auch immer“ machen. Besonders Nicht-Fotografen interessiert doch das Gesetzt recht wenig. Ich glaube kaum, dass dann Afrikanische Fotografen in Gruppen kommen um die Deutsche Lebensweise zu fotografieren. Dafür sind wir doch etwas zu unspektakulär :)
Grundsätzlich finde ich das Recht am eigenen Bild gut. Jedoch könnte man es etwas Fotografen-freundlicher gestalten.
Zum Beispiel wie Google. Anstatt sich die Einwilligung von jedem zu holen, dessen Haus fotografiert wird, kann man Einspruch einlegen.
Könnte auch bei Street-Fotografie funktionieren. Damit man nicht das Gefühl eines Schwerverbrechers hat, beim Fotografieren.
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Es sind nicht nur die Personen, die ein Recht am eigenen Bild deklarieren können,
sondern auch z.B. die Rechteinhaber von Plakaten im Bildhintergrund, geschützte
Architektur und Gebäude, von denen Fotos ohne Einwilligung der Besitzer oder Nutzer
nicht veröffentlicht werden dürfen.
So geht nicht nur Spontanität verloren, manches Motiv verbietet sich von vorneherein.
Ich habe z.B. in meiner Sammlung das Bild eines Obdachlosen, der nachts auf einer
der bekannten blauen IKEA-Taschen schläft. IKEA ist allgemeines „Kulturgut“, doch
wenn ich das Bild mit dem Möbelhaus-Slogan „Lebst du noch oder wohnst du schon“
veröffentlichen würde, könnte jemand wenig amüsiert sein und auf Unterlassung
klagen.
@ Michael L., Ein Obdachloser schläft auf einer IKEA-Tasche mit dem Text: „Lebst du noch, oder wohnst du schon“ – Gerade diese Kombination gibt doch dem Bild einen neuen Inhalt – ist eben nicht einfach nur billige „Street“.In diesem Falle dürfte m.E. gerade besonders der Kunstaspekt in’s Spiel kommen und der Elch hätte demnach wenig Chancen vor Gericht, Recht zugesprochen zu bekommen.
Ein interessanter Artikel, der durchaus zum Nachdenken anregt. Danke dafür.
Ich denke, man hätte hier einfach sehr viel früher differenzieren müssen. Natürlich ist es unschön, wenn man in Situationen fotografiert wird, die man nicht unbedingt mit anderen Menschen (bzw. der Öffentlichkeit) teilen möchte. Ich möchte auch kein Bild von mir in der Zeitung sehen, wenn ich gerade im Krankenhaus liege.
Auf der anderen Seite haben die Menschen mit der Zeit das Gesetz so ausgelegt, dass es grundsätzlich „ethisch nicht vertretbar“ erscheint, in der Öffentlichkeit fotografiert zu werden. Zu oft hört man die Worte „Datenschutz“. Herrje … welche Daten werden denn veröffentlicht? Ja, man kann sehen, dass ich an einem bestimmten Tag an einem bestimmten Ort war. Na und?
So ganz kann ich den Trubel umd das „Recht am eigenen Bild“ nicht verstehen – zumindest dann nicht, wenn es sich um „Street Photography“ handelt. Nichtsdestotrotz bin ich mittlerweile davon abgekommen, Menschen zu fotografieren, wenn sie mir nicht explizit als Modell zur Verfügung stehen. Der Stress mit den Paranoiden ist einfach zu groß und steht in keinem Verhältnis zu den dabei entstehenden Werken.
Viele Grüße,
Andreas
Pingback: Street Photografie / New York New York 1994 | Fotodesign - Scherlack Webblog
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Zum Glück gibt’s in Deutschland so einen hohen Schutz. Und mit Paranoia hat das wenig zu tun. Als Teil der Öffentlichkeit will ich mich grundsätzlich auch nicht sehen, sobald ich die Haustür schließe. Es sollte niemand interessieren wo ich gerade zu Mittag esse, zu welchem Arzt ich gehe, welches Autokennzeichen ich besitze, mit welchem Partner/Partnerin ich unterwegs bin oder wie meine Kinder aussehen. Einverständnisse sind sehr wichtig. So etwas sollte es auch in anderen Ländern geben. Denken wir mal an Auslandsfotos (möglichst weit entfernte exotische Länder), Street/Portraitfotografie wird dort sehr gerne gemacht, im Heimatland ausgestellt und dazu noch eine nette Geschichte/Doku geschrieben. Fertig ist die geschaffene Kunst. Finden alle super. Die abgebildeten Personen haben überhaupt nichts davon, aber mit unserer Doku/Fotoreihe wollen wir so erfolgreich wie möglich werden. Am schönsten ist es, wenn wir irgendwann auch noch Geld dafür bekommen und unser Bekanntheitsstatus gesteigert wird. Wir wollen auch nicht, dass Fotos von uns ohne Erlaubnis zB in den USA, Afrika oder Asien verbreitet werden.
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